Das Herzstück der Radlogistik
Der operative Teil der Radlogistik umfasst ebenjene Bereiche, die einfach gesagt mit dem Transport von Gütern von a nach b zusammenhängen. Dabei liegt eine Vielfältigkeit der Einsatzmöglichkeiten von gewerblichen Rädern vor. Die Betrachtung der Organisationsformen und daran gekoppelten Unternehmensgrößen der operativ tätigen Unternehmen verdeutlicht zudem, dass auch hier eine große Spannbreite vorliegt – von der selbstständigen (Rad-) Kurierdienstleistung, über die lokalen aber auch überregionalen Radlogistikunternehmen hin zu den Systemdienstleistungen, welche neben der Radlogistik noch viele andere logistische Bereiche abdecken. Dabei wird die Radlogistik mal als Haupttätigkeit angeboten, mal als Nebengeschäft. Innerhalb der Radlogistik- und Kurierfirmen liegen ebenfalls oftmals diverse Geschäftsfelder im Leistungsangebot vor.

Pakete, Eilsendungen, Stückgut, Servicedienste u.v.m. – der Radlogistik stehen viele Wege offen.
Anwendungsbereiche der Radlogistik innerhalb der urbanen Logistik
Postdienstleistung

Die Postdienstleistung wird durch den gewerblichen Transport von Sendungen über das Briefnetzwerk geprägt. Hierbei wird in die beiden Bereiche lizenzpflichtig und nicht lizenzpflichtig unterschieden. Erstere umfassen beispielsweise adressierte Zeitungen und Zeitschriften aber auch Briefsendungen über 1000 g. Zu den lizenzpflichtigen Postsendungen zählt die Überstellung von Briefen bis 1000 g. Durch hohe Stoppdichten und geringe Distanzen dazwischen liegen günstige Bedingungen für den Einsatz von (Lasten-) Fahrrädern vor. Der marktführende Dienstleister in diesem Segment setzt auf der letzten Meile traditionell auf die bekannten Postfahrräder und weist neben tausenden elektrifizierten nur noch wenige nicht elektrifizierte Räder vor.
Pressedistribution
Die Pressedistribution als Teilbereich des Postmarktes beinhaltet die Sendung von adressierten Zeitungen und Zeitschriften sowie Anzeigeblättern. Durch die ähnlichen Charakteristika, wie die der Postdienstleistung, liegen auch hier vorteilhafte Bedingungen für den Einsatz von Lastenrädern vor. Die Zustellung erfolgt klassisch auch über Handwagen.
Kurier-Express-Paket-Dienste (KEP)
Der KEP-Markt, zusammengesetzt aus den Teilbereichen Kurier-, Express- und Paketsendungen beinhaltet die Zustellung von separaten, kleinformatigen Sendungen unter 31,5 kg. Dieser Bereich wird maßgeblich durch den steigenden Onlinehandel mitgestaltet und wies über Jahre enorme Wachstumszahlen vor. Durch die aktuelle Rezession und den Corona-bedingten immensen Zuwachs und danach wieder Rückgang der Mengen lagen bei den Zahlen in den letzten Jahren einige Schwankungen vor. Die drei Teilfelder Kurier-, Express- und Paket weisen insbesondere hinsichtlich der Zustellgeschwindigkeiten sowie Sendungsmengen enorme Unterschiede vor, welche sich auf die Fahrzeugwahl auswirken. Die Radlogistik ist besonders auf der ersten und letzten Meile relevant. Auch kurze Binnenfahrten, wie im Kurierbereich, sind für eine Umsetzung auf Rädern geeignet.

- Kurierdienste bieten den individuellen und stets begleiteten Transport kleinformatiger Sendungen mittels Direktfahrt an. Die Abholung und Zustellung erfolgt in der Regel am gleichen Tag und wird meist durch einen einzelnen Kurierdienst ohne Zwischendistribution durchgeführt. Dieses Teilsegment des KEP-Bereiches wird größtenteils durch Einzel- und spezialisierte Unternehmen und Vermittlungszentralen bedient, welche im regionalen Bereich tätig sind. Wenn Fahrräder eingesetzt werden, hängt die Größe/Art des Rads stark von der Sendungsgröße ab und variiert zwischen eingesetzten Normalrädern, leichteren und schweren Lastenfahrrädern sowie Anhängern.
- Expressdienstleistungen haben ebenfalls eine verbindliche Zustellzeit und garantieren den permanenten Zugriff. Im Gegensatz zu den Kurierdiensten, werden diese jedoch meistens nicht direkt versendet, sondern netzwerkgebunden über Umschlagsknoten zugestellt. Eine Gewichts- oder Größenbeschränkung besteht nicht. Hohe Marktanteile dieses Segment fallen auf einen marktführenden Anbieter. Zu Verbünden zusammengeschlossene mittelständige Unternehmen übernehmen ebenfalls einen Teil der Expressdienste am deutschen Markt.

- In dem Teilsegment Paketdienste erfolgt im Gegensatz zu den beiden weiteren Teilbereichen des KEP-Marktes keine eilige, zeitkritische Zusendung. Stattdessen liegt das Augenmerk auf dem mengenorientierten Transport. Der Großteil des deutschen Paketmarktes wird von den sechs Systemdienstleistern Amazon, Deutsche Post AG, DPD, UPS, Hermes und GLS abgewickelt. Durch steigende Sendungsvolumina angesichts des florierenden e-Commerce findet hier ein starkes Wachstum statt. Dieses führt vor allem auf der letzten Meile im urbanen Bereich – also dem letzten Streckenabschnitt vor Übergabe an die Endkund:innen – zu vielen Verkehrsproblemen und Umweltbelastungen. Verlagerungsprozesse auf Lastenfahrräder und Gespanne unter Verwendung der nötigen urbanen Umschlagspunkte werden derweil als eine der größten Potentialfelder des Einsatzes gewerblicher Lastenfahrräder und Anhänger gesehen.
Verbundzustellung

Der Bereich der Briefzustellung ist durch die voranschreitende Digitalisierung, rückläufig. Um Kosten einzusparen, sind Postunternehmen bestrebt die Zustellung von Brief- und Waren- bzw. Pressesendungen zusammenzulegen. Besonders im ländlichen Raum wird die Verbundzustellung seit Jahren verstärkt umgesetzt, während im urbanen Raum aufgrund der hohen Briefmengen und der sehr hohen Paketmengen die Zustellung in der Regel über getrennte Zustellnetze abgewickelt wird. Die gebündelte Zustellung von Brief- und Warenpost, welche oftmals ebenfalls via Briefkasteneinwurf zugestellt werden kann, kann Verbundvorteile ergeben und wird vermehrt durch Systemdienstleister umgesetzt.
Lebensmittellogistik und –lieferdienste
Dieser Logistikbereich enthält verschiedene Anwendungsformen, welche innerhalb des Projekts identifiziert wurden. Dabei ist eine Trennung der Sektoren B2B (Business to Business) und B2C (Business to Costumer) sinnvoll, wobei beide Bereiche differenzierte Anforderungen und Sendungsmengen vorweisen.

- Lebensmittel und Getränke (ungekühlt)
- Sowohl bei der Belieferung von Endkund:innen (B2C) als auch bei Gewerbebelieferungen (B2B) erfolgt die Zulieferung ungekühlter Lebensmittel häufig in sogenannten Euroboxen, welche Palettenteilermaße aufweisen, gut stapelbar sind und in verschiedenen Ausprägungen vorliegen. Sie sind auch unter dem Namen Bäckerkiste bekannt.
- Bekannte Beispiele im B2C-Bereich sind beispielsweise Biogemüsekisten oder auch Getränkezulieferungen. Der Transport erfolgt aufgrund der geringeren Sendungsmengen und vergleichsweise kürzeren Wege in der Regel ungekühlt oder nur durch passive Mittel. Start kann ein gekühltes Micro-Depots sein, ein Lager oder auch der Handel als solcher. Passende Verpackungsmaterialien können für eine kurze Zeitspanne die Kühlkette ersetzen. Neben den Kisten werden auch einfache Papptüten und andere Behältnisse verwendet.
- Der B2B-Bereich ist von größeren Sendungsmengen geprägt und bei der Belieferung von größeren Einzelhandelsgeschäften kaum für die Radlogistik geeignet. Jedoch liegen auch hier Abstufungen vor. Die Belieferung von spezialisierten Fachgeschäften, bei denen geringere Sendungsmengen vorliegen, ist beispielsweise für die Auslieferung via Lastenrad oder im Gespann gut geeignet. Das Angebot innerstädtischer Depots von Radlogistikdienstleistern ermöglicht kurze Strecken, gebündelte Warenauslieferungen und geringere Lagerflächen bei den Einzelhandelsgeschäften.

- Lebensmittel und Getränke (temperaturgeführt)
- Auch die Zulieferung temperaturgeführter Lebensmittel und Getränke wird bereits mittels Lastenrad erprobt. Es können hierbei sowohl passive als auch aktive Möglichkeiten verwendet werden.
Eine Lösung, die temperaturgeführte Lebensmittel für die Lieferung mit verschiedensten E-Schwerlastenrädern auf der letzten Meile bereits möglich macht, ist der LMCC Cube von GreenZen Solutions. Hier geht es zum Unternehmenssteckbrief und weiterführenden Informationen.
- Auch die Zulieferung temperaturgeführter Lebensmittel und Getränke wird bereits mittels Lastenrad erprobt. Es können hierbei sowohl passive als auch aktive Möglichkeiten verwendet werden.

- Essenslieferdienste
- Ein weiteres Feld der Lebensmittelzulieferung stellt die Zustellung bereits zubereiteter Speisen dar. Dieser Bereich wächst rapide und die Lieferdienste via Bike sind mittlerweile ein gewohntes Bild in urbanen Räumen. Besonderheit bei diesem Transport liegt auf der einzuhaltenden Wärme von 60° C. Die Transporte im Bereich der B2C Essenslieferdienste sind meist von eher kurzen Wegen und geringen Sendungsvolumina geprägt. Die B2B Belieferung von Großküchen, KiTas, Heimen und anderen weisen hingegen längere Wege und höhere Volumina aus. Die Zustellbehälter weisen eine passive Wärmehaltung durch die Verwendung von Isoliermaterial vor.
Stückgut

Der Logistikbereich Stückgut umfasst Güter, die als eine einzelne Einheit transportiert und gelagert werden können. Stückgüter können auf Europaletten oder ähnlichen Ladeeinheiten transportiert werden. Verschiedene Schwerlastenrad- und auch Fahrradanhängerhersteller bieten die Möglichkeit des Transports einer Palette an und verfügen über hohe Nutzlasten, wodurch auch Stückgüter mit dem Lastenrad oder dem Fahrradanhänger transportiert werden können.
Baustellen- und Handwerksbedarf

Der Bereich des Baustellen- und Handwerksbedarfs ist meist großvolumig. Es gibt aber spezielle Einsatzbereiche für die Radlogistik. Dazu zählt die Nachlieferung von dringendem Material und Werkzeug (Kleinmengen) sowie Handwerksbelieferungen und Kleinsendungen.
Ein besonderes Beispiel der Baustellen- und Handwerksbelieferung ist die CityLog GmbH, welche diesen Service bereits in 10 deutschen Städten sowie Wien anbieten. Diese erhielten im Jahr 2023 einen Nachhaltigkeitsaward für ihr Logistikkonzept.
Recycling- und Entsorgungslogistik

In diesem Teilbereich der Logistik steht die Rücknahme von Abfällen im Mittelpunkt. Diese werden folgend entsorgt oder im Sinne der Kreislaufwirtschaft verwertet oder recycelt. Die Erprobung verschiedener Einsatzmöglichkeiten von Lastenfahrrädern innerhalb dieses Bereichs wird durch verschiedene namhafte Unternehmen vorgenommen. Zu diesen zählt beispielsweise Berlin Recycling, die die Abholung von Elektrokleingeräten und Alttextilien in einem sechs-wöchigen Pilotprojekt im Februar/März 2024 erprobten. Auch die Unternehmen recyclehero oder auch Kiezbote zeigen bereits im Realbetrieb erfolgreich, wie Lastenräder bei der Abholung von Alttextilien, Sperrmüll, Elektrogeräte und etc. eingebunden werden können.
Pharmalogistik und medizinische Transporte

Der Transport von (temperaturgeführten) Medikamenten, Blutproben u.a. kann im Binnenverkehr ebenfalls durch die Radlogistik umgesetzt werden. Hierbei müssen aufgrund der speziellen Anforderungen wie beispielsweise beim Transport von Betäubungsmitteln oder der Einhaltung der Temperatur einiges beachtet werden. Es gibt bereits einige Unternehmen aus dem Feld der Radlogistik, welchen diesen Service anbieten und die Lieferung von Medikamenten von Apotheken an die Endkund:innen aber auch die Belieferung der Apotheken im Portfolie haben. Auch Apotheken schaffen sich vermehrt Lastenräder für eigene Botendienste zu den Kund:innen an.
Wäschetransport

Wäschereinigungsbetriebe im privaten sowie gewerblichen Bereich setzen ebenfalls bereits auf den Transport von Textilien in Lastenrädern und -anhängern. Die Textilien werden dabei entweder als Hängeware oder in Säcken transportiert. Für den Transport von Hängeware werden Aufhängungen wie beispielsweise Kleiderstangen in der Box benötigt.
Blumentransport

Ob es um Lieferung eines Blumengrußes geht, der persönliche Besuch im Blumengeschäft nicht möglich ist oder eine größere Bestellung für eine Feierlichkeit oder anderen Zweck – auch bei der Zulieferung von Blumen und Pflanzen wird bereits auf das Lastenrad gesetzt, denn auch hier ist für viele Unternehmen und Kund:innen der umweltfreundliche Transport entscheidend.
Weitere Anwendungsbereiche
Neben der reinen Logistik gibt es vielfältige weitere Anwendungsfelder. Dazu zählen unter anderem der Einsatz von Lastenfahrrädern im Bereich Handwerk, für Servicefahrten oder den gewerblichen Personentransport.